Das Wandern auf dem Urner Alpenkranz ist eine langsame, sinnliche, den Raum gleichsam körperlich abtastende Fortbewegung durch eine grossartige Naturlandschaft. Eine solche Erfahrung braucht Zeit, wandern braucht Zeit. Es geht um das eigene Erlebnis, nicht um die Muskulatur. Der Wanderer lässt los. Er kennt keine Termine, keinen Stau, keinen Stress. Es gibt nur noch den Weg, Trinken, Essen und Ankommen — die Reduzierung auf das Wesentliche!
Das Leben wird nicht durch das Ticken einer Uhr abgewetzt. Der Mensch isst, wenn er Hunger verspürt, trinkt, wenn er durstig ist, und ruht, wenn er müde ist und erlebt so einen «natürlichen Tag». Auch die Verpflegung wird zu einem köstlichen Erlebnis: Äpfel, Brot, Käse, vielleicht getrocknetes Fleisch schmecken besser als jedes Menü in einem Restaurant. So wird der Wanderer trotz aller Zivilisation selbst zu einem Teil der Natur und bildet mit ihr eine Einheit. Es bedarf lediglich einer gewissen Offenheit den kleinen und grossen Dingen gegenüber, welche die Natur für uns bereithält. Das alles hat nichts mit romantischer Verklärung zu tun, sondern eher mit der Rückbesinnung auf die Werte, die dem Menschen des 21. Jahrhunderts abhandengekommen sind, nämlich der Suche nach seinen Ursprüngen, seiner Herkunft, letztlich nach sich selbst.
Wandern hängt auch mit Eindrücken, Empfinden, Sehen und Gefühl zusammen — mit allen Sinnen. Es sind nicht nur die grandiosen Gebirgslandschaften, die uns auffallen. Auch kleine Dinge am Wegrand wie Blumen und Insekten erregen unsere Aufmerksamkeit. Trotz des langen Weges und der strapazierten Beine ist die Freude an der Natur Bestandteil des Weges. Wer einmal die wohltuende Mischung aus Naturleben, körperlicher Aktivität und psychischer Entspannung, Bewegungsfreiheit, Entdeckerfreude und menschlicher Nähe erfahren hat, der möchte sie immer wieder geniessen.
Nimmt man alles zusammen — das Naturerlebnis und die körperliche Herausforderung, die Entspannung und den Gesundheitsgewinn, das Freiheitserlebnis und die Entfaltung der Sinne, die offene Begegnung mit den anderen und die sanfte Begegnung mit sich — dann liefert das Wandern eine perfekte Definition dessen, was der heutige Zeitgeist «Wellness» nennt.